Der Weg zur Patenschaft über den Mülheimer Schifffahrtbrunnen

Eine Geschichte von Berhard Kempkes
Ehrenmitglied der Stammtischgesellschaft
Das Schifffahrtbrunnen-Denkmal auf dem Wiener Platz in Köln-Mülheim ...

Rückblick: Es begann im Jahre 1978
Einem Presseartikel hatte ich entnommen, dass im „Fort X“ in Riehl alte Denkmalreste lagerten. Auch die Figuren des ehemaligen Mülheimer Schifffahrtbrunnen waren 1928 dort gelandet, weil sie beim Straßenbau für die erste Mülheimer Hängebrücke im Wege standen.

Gisela Pressel war zu jener Zeit mit dem Thema „Paten für die Mülheimer Brunnenanlagen“ befasst. Meine Bitte, sie möge sich parlamentarisch auch um die Schifffahrtbrunnen-Figuren kümmern, wurde von ihr sofort erfüllt. Sie beauftragte das Ortsparlament, sich um die „Heimführung der Schifffahrtbrunnen-Figuren“ zu bemühen und traf dort zunächst nicht auf die Gegenliebe der anderen Ortspolitiker. Immer wieder musste ich sie ermuntern nicht aufzugeben und musste die Geldgeber für die Realisierung des Vorhabens besorgen.

Dann nahm das Schicksal seinen Lauf. Unter meinen vielzähligen Verwaltungseinladungen im Jahre 1978 fiel mir eine Einladung besonders auf:

Wir würden uns freuen, Sie als Gast bei unserer Jubiläumsveranstaltung 50 Jahre Stammtischgesellschaft „Nie gehässig“ am 4.November 1978, in der Aula der Schule Tiefentalstraße, begrüßen zu dürfen. gezeichnet: Willi Neunzig

Nach Terminabsprachen mit meiner Kollegin Christtraut Kirchmeyer wurde beschlossen: „Do jon mer hin – die wolle mer kenneliere!“.

Einblick: Jubiläumsfeier und Wiedersehen mit einem alten Freund
Die Aula war festlich geschmückt. Umringt von politischer und sonstiger Prominenz stand er da: Willi Neunzig, der damalige Präsident der Stammtischgesellschft „Nie gehässig“. Es war ein Wiedersehen nach langer Zeit, denn als Pänz waren wir uns schon des öfteren begegnet. Voller Stolz erzählte er von den vielen Preisen bei den Schull- un Veedelszög und berichtete über die Gründungsgeschichte der Stammtischgesellschft „Nie gehässig“ im Jahre 1928

„Grielächer“ hatten sich die Stammtischgründer zunächst genannt, weil sie mit einem weinenden und einem lachenden Auge der wirtschaftlich schwierigen Zeit vor 50 Jahren trotzen wollten. Als Folge des 1.Weltkrieges von 1914 bis 1918 litten auch die Damaligen unter der Wirtschaftskrise. Es war eine Zeit, in der jeder ums Überleben kämpfen musste.

Dennoch zog 1927, nach 12-jähriger Pause, wieder der Rosenmontagszug durch die Straßen Kölns. Das Motto hieß „Aus der neuen Zeit“. Ob die Stammtischgründer unter den Tausenden kostümierter Narren damals dabei waren und Prinz Ferdinand(Leisten), Bauer August(Waimann) und der Jungfrau Hansi(Holz) zugejubelt haben, wissen wir nicht. Aber vermutlich hatte der karnevalistische Neuanfang sie dazu angeregt, „Dat muß et och widder en Müllem jevve!“.

In diese Aufbruchstimmung passte auch das 14.Deutsche Turnerfest im Jahre 1928, wozu sich 300.000 Sportler in Köln versammelt hatten. Umso weniger erfreulich waren in jenen Tagen die Aufmärsche der NS-Anhänger, die mit den ersten Hetzkampagnen gegen Kölner Juden nicht davor zurückschreckten, mit ihren Gehässigkeiten die Andersdenkenden auf der Straße zu verprügeln oder umzubringen.

Vielleicht waren es diese zeitbegleitenden Ereignisse, die die ersten Stammtischfreunde auf den Gedanken brachten, sich eines Tages „Nie gehässig“ zu bezeichnen und auch so miteinander umzugehen. All das ging mir bei der Jubiläumsveranstaltung und der Wiederbegegnung mit Willi durch den Kopf, aber besonders das Gründungsjahr 1928, das genauso weit zurücklag, wie der Abbau des „Mülheimer Schifffahrtbrunnen“.

Nach 50 Jahren hatte ich die Schifffahrtbrunnen-Figuren wiedergefunden und den genauso alten Stammtisch „Nie gehässig“, mit seinen sympathischen Mitgliedern und Freunden kennen gelernt.

Die Duplizität der 50 Jahre weckte in mir die Idee, dass der Stammtisch eines Tages die Patenschaft über das Schifffahrtbrunnen-Denkmal übernehmen könnte und ich versuchte, Willi Neunzig diese Gedanken näher zu bringen.

Einige Wochen waren vergangen, als mich Willi anrief und meinte: „Der Stammdesch wöt sich jän ens met Dir övver die Brunne-Fijure ungerhalde“. Tage später saßen mir 22 gestandene Stammtischmänner gegenüber, die mir, größtenteils mit zweifelnder Miene, zuhörten. Ich berichtete über Brunnenfiguren, die man noch nicht sehen konnte und von einem Brunnen, der vielleicht einmal in weiter Zukunft gebaut werden sollte. Dafür sollten sie die Patenschaft übernehmen?!
Vermutlich musste ich mit meiner Überzeugungskraft an diesem Stammtischabend gut drauf gewesen sein, oder es lag an der ausgeprägten Höflichkeit der Stammtischbrüder, dass sie mir letztlich aufmerksam zugehört hatten und nun auch an diese Vision glaubten, von der ich selbst noch nicht überzeugt war, ob sie jemals Realität würde. Ich konnte den spontanen Optimismus der Stammtischbrüder nur bewundern, denn ich hatte einen Verein gefunden, der mein Vorhaben unterstützen wollte.

Nach mühevollen, politischen Verhandlungen durften wir die Schifffahrtbrunnen-Figuren im Oktober 1981 wieder nach Mülheim holen. Am 16.März 1982, um 10:00 Uhr, nahmen sie dann endlich wieder ihren Platz am Rande des „Wiener Platz“ ein.

Flöck, wie die Stammtischbröder nun mol sin, wurde noch im gleichen Monat und unter großer Beteiligung der Mülheimer Bevölkerung am 12.Mai 1982 das 1.Schifffahrtbrunnen-Fest gefeiert.

Jott sei Dank – et es jeschaff!
Mit dem stolzen „:Hippokampenpaar“ und der „Schifffahrtallegorie“ war wieder ein Stück Mülheimer Geschichte sichtbar geworden und die Brunnenfeste wurden von Jahr zu Jahr zu einem Gesamt-Mülheimer Ereignis. Wegen des Rathaus-Neubaus wurde das Schifffahrtbrunnen-Denkmal an den Rand des Stadthallenparkplatzes transportiert. Im Jahre 1998 ist es dann am Wiener Platz zwischen dem alten und dem neuen Rathaus errichtet worden. Nach fünfjähriger Pause findet seitdem hier jährlich wieder das Mülheimer Schifffahrtbrunnen-Fest statt.

Vielleicht erfüllt sich eines Tages noch der Wunsch, dass das Denkmal mit einem Wasserbecken bereichert wird.